EU-US-Freihandelsabkommen: Von Transparenz keine Spur
3. Dezember 2013 | Patrick Schreiner
Die Lobby-kritische Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) hat jüngst ein vertrauliches EU-Dokument veröffentlicht, in dem die EU-Kommission Vorschläge für die Koordination und die Inhalte der Öffentlichkeitsarbeit von EU und Mitgliedstaaten zum geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen (TTIP) macht. Der Text wurde im November auf einem Treffen zwischen Vertreterinnen und Vertretern von Kommission und Mitgliedstaaten diskutiert.
Mit „Communicating on TTIP“ ist das Dokument überschrieben. Es macht einmal mehr deutlich, dass Offenheit, Transparenz und eine ergebnisoffene Debatte nicht die Ziele der Freihandelsfreundinnen und –freunde sind. So wird zwar zunächst recht harmlos geschrieben, das Ziel der gemeinsamen PR-Arbeit müsse sein, dass die „breite Öffentlichkeit in allen EU-Mitgliedstaaten ein generelles Verständnis davon hat, was das TTIP ist“. Dagegen wäre ja in der Tat aus demokratischer Sicht nichts einzuwenden. In Klammer, um jegliche Missverständnisse auszuschließen, wird allerdings gleich nachgeliefert, was das TTIP im öffentlichen Verständnis zu sein hat: „eine Initiative, die hilft, Wachstum und Arbeit zu schaffen“. Und genau in diesem Sinne hätten EU-Kommission und Mitgliedstaaten eng zusammenzuarbeiten, mahnt die Kommission.
An späterer Stelle steht geschrieben, dass es gerade im derzeitigen frühen Stadium der Verhandlungen das Anliegen sei, die Diskussion um TTIP zu gestalten, indem dessen Ziele positiv kommuniziert werden. Und erneut werden diese Ziele in Klammer nachgeschoben, um Missverständnisse auszuschließen: „ökonomische Gewinne und eine globale Führungsposition in Handelsfragen“. Dies sei gegenüber einer Debatte vorzuziehen, in der man in eine defensive Situation gerate, von der aus man nur reagierend kommunizieren könne. Offenbar hat man dabei aus der Vergangenheit Konsequenzen gezogen: Man wolle nun, steht in dem Dokument geschrieben, „radikal anders“ als bei früheren Freihandels-Initiativen „klare, sachliche und überzeugende Argumente“ benennen. Und gerade wenn TTIP unter massiven öffentlichen Beschuss gerate, wovon auszugehen sei, sollten EU-Kommission und Mitgliedstaaten „mit einer Stimme“ sprechen.
Von demokratischer Diskussion des Für und des Wider findet sich nichts in dem Papier. Transparenz meint hier offenbar (neben dem Veröffentlichen einseitiger Fakten pro TTIP) lediglich, Lobbygruppen einzubinden (dazu findet sich ein entsprechender Hinweis am Ende) – nicht aber, auch negative Fakten offenzulegen.
Und doch wären ausschließlich echte Transparenz und eine breite politische Debatte angemessen. So hat ein breites Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen (unter anderem attac, BUND, weed) Anfang November in einer gemeinsamen Erklärung zu Recht gefordert:
Solche weitreichenden Pläne gehören nicht in Geheimverhandlungen, sondern auf die parlamentarische Bühne und in die öffentliche Debatte – in Europa ebenso wie in Amerika. Wer in Europa Gentech‐Lebensmittel, Wachstumshormone und Chlorhühnchen erlauben will, muss dies in den Parlamenten Europas beantragen und für parlamentarische und öffentliche Mehrheiten werben. Wer in Amerika die Finanzmarktregulierung auf das niedrigere europäische Niveau absenken will, muss es im Kongress beantragen und dort für Mehrheiten werben.
Die politische Realität in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten sieht aber anders aus. Dort betreibt man lieber "starke politische Kommunikation".
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.