Freihandelsabkommen: Gewerkschaften positionieren sich kritisch zu CETA, TTIP, TISA und Co.
29. September 2014 | Patrick Schreiner
Die Diskussion um Freihandelsabkommen wie TTIP (EU-USA), CETA (EU-Kanada), TISA und andere nimmt an Schärfe zu. Zu CETA gibt es eine Schlussfassung, zu TTIP und TISA verschiedene Verhandlungspapiere. Sie alle lassen aufhorchen: Entgegen der Beschwichtigungen von Politik und Wirtschaft droht der Abbau sozialer und ökologischer Standards. In den letzten Tagen haben sich verschiedene Gewerkschaften kritisch zu den genannten Freihandelsabkommen positioniert.
Schon am 18. September sprach sich die IG Metall in einer Pressemeldung strikt gegen so genannte Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren aus, durch die Investoren eine privilegierte Position bei Klagen gegen staatliche Auflagen und soziale sowie ökologische Standards erhalten würden. Dort ist der Erste Vorsitzende Detlef Wetzel wie folgt zitiert:
Wir lehnen jede Art von Investitionsschutzabkommen ab und erwarten, dass alle ILO-Kernarbeitsnormen von der US-Seite unterzeichnet werden. Ist auch nur einer dieser Punkte zweifelhaft, sagt die IG Metall "Nein" zu den TTIP-und CETA-Verhandlungen.
Es genüge nicht zu beteuern, dass es bei Arbeits- und Sozialstandards keine Verschlechterung geben werde, so Wetzel. Und weiter:
Fakt ist: Handelsliberalisierung führt zu mehr Wettbewerbsdruck auch und gerade auf Arbeits- und Sozialstandards.
Schon vor einigen Monaten hat Wetzel zu Recht darauf hingewiesen, dass der zunehmende Wettbewerbsdruck ein wesentliches Problem bei solchen Freihandelsabkommen ist. Er sagte damals in einem Interview:
Der Druck würde sich mittelbar aufbauen. Denn Liberalisierung bringt immer eine Verschärfung des Wettbewerbs mit sich. Die Konkurrenz wird härter, in diesem Fall die Konkurrenz Europas mit den USA, wo die Arbeitnehmerrechte deutlich schwächer sind und die Gewerkschaften von der Politik teilweise massiv bekämpft werden. Und da ist dann schon sehr die Frage, ob beispielsweise die deutschen Regeln zur Mitbestimmung in einer Freihandelszone nicht angegriffen werden.
Vor einigen Tagen hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund zu TTIP ein gemeinsames Papier mit dem Bundeswirtschaftsministerium verabschiedet. Darin formulierten beide gemeinsame Anforderungen an die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Dazu schreibt die IG Metall in ihrer oben zitierten Pressemeldung:
Mit einem Positionspapier will der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Bundesregierung eine gemeinsame Position zu den TTIP-Verhandlungen finden. Das steht laut Wetzel unter einem weiteren großen Vorbehalt: "Die IG Metall erwartet, dass die Bundesregierung den aktuellen Entwurf zum Handelsabkommen CETA mit Kanada ablehnt und dies auch auf EU-Ebene durchsetzt. Das ist die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der Vereinbarung."
Auch die Gewerkschaften NGG und IG BAU forderten die Bundesregierung auf, jene Kriterien für TTIP, die gemeinsam mit dem DGB festgelegt wurden, auch auf CETA anzuwenden. Wenn die Bundesregierung dies tue, könne es nur eine Schlussfolgerung geben, so die IG BAU:
Bundesregierung muss CETA stoppen
Dieser Forderung schließt sich die NGG an, sie nennt dafür einen weiteren Grund:
Die Gewerkschaft NGG hat weitgehender als der DGB das Aussetzen der Verhandlungen auch aus Verbrauchersicht gefordert.
Auch die Gewerkschaft verdi hat in einer Pressemeldung vom 29. September die in CETA vorgesehenen Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren deutlich kritisiert und abgelehnt. Anlässlich der Anhörung der designierten EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sagte der verdi-Vorsitzende Frank Bsirske:
Die Haltung von EU-Kommission, Europäischem Parlament, Bundesregierung und Deutschem Bundestag ist der entscheidende Test für die politische Glaubwürdigkeit, denn Ceta ist die Blaupause für TTIP und alle künftigen Freihandelsabkommen.
Und weiter heißt es in der Pressemeldung:
Erforderlich sei die Anpassung von Sozial- und Umweltstandards auf dem höchsten Niveau, die Sicherung von Mitbestimmungs- und Arbeitnehmerrechten in transatlantischen Unternehmen ebenso wie der Schutz persönlicher Daten, von Verbraucher- und Urheberrechten.
Zu Recht fordert Bsirske hier eine "Anpassung von Sozial- und Umweltstandards auf dem höchsten Niveau". Diese Forderung hatte schon der DGB-Bundeskongress im Mai beschlossen (und verbunden mit der Forderung, die TTIP-Verhandlungen auszusetzen). Dahinter steht die richtige Erkenntnis, dass in Handelsabkommen nicht niedrige Mindeststandards festgelegt werden dürfen, sondern die jeweils höchsten Standards für alle Länder verbindlich gemacht werden müssen. Andernfalls geraten diese höchsten Standards unter Wettbewerbsdruck - wie auch Detlef Wetzel wiederholt deutlich gemacht hat (siehe oben). Der Abbau der höchsten Standards wäre dann indirekte Folge der Freihandelsabkommen, ohne dass ein solcher Abbau in den Abkommen selbst festgeschrieben wäre.
In seiner Reihe "Klartext" hat sich am 26. September auch der DGB strikt gegen CETA in seiner jetzigen Form ausgesprochen. Der Dachverband kritisiert darin neben dem Investor-Staats-Schiedsgerichtsverfahren auch die Festschreibung von Liberalisierungen durch so genannte Ratchet-Klauseln, den zu geringen Schutz von Arbeitnehmerrechten sowie die vorgesehenen weitreichenden Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich:
So darf CETA nicht kommen. Es muss debattiert und gründlich geändert werden.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.