Dokumentation
Einleitung: Der Aufstieg der AfD
12. Februar 2015 | Redaktion
Jüngst erschien beim Verlag Bertz+Fischer ein Buch, das in die Geschichte und die Ideologie der Partei "Alternative für Deutschland" einführt, geschrieben von Sebastian Friedrich. Titel: “Der Aufstieg der AfD. Neokonservative Mobilmachung in Deutschland”. Wir dokumentieren im Folgenden die Einleitung.
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Im Konferenzsaal des Berliner Hotel Intercontinental haben sich mehr als 1000 Menschen zum offiziellen Gründungsparteitag der AfD zusammengefunden. Im Mittelpunkt steht an diesem 14. April 2013 ein 45-minütiger Vortrag des Initiators der Parteigründung. Der Hamburger Professor für Makroökonomie, Bernd Lucke, hält eine Grundsatzrede, als stünde er vor Studierenden in einem voll besetzten Audimax seiner Universität. Er nimmt den häufig einsetzenden Applaus erfreut zur Kenntnis, fängt aber bei beinahe jeder Unterbrechung nach wenigen Momenten an, mit seinen Armen herumzufuchteln, um mit seinem sorgfältig vorbereiteten Text fortfahren zu können. Seine Rede, die sich im Kern um die EU- und Euro-Politik der Bundesregierung dreht, endet unter tosendem Applaus und mit stehenden Ovationen. Der Saal platzt aus allen Nähten, und durch die Reihen peitscht der Sprechchor »Jetzt geht’s los!«.
Auch in den folgenden Monaten dominiert die Euro-Währungspolitik die Auseinandersetzung um die neu entstandene Partei, die sich in diesem Zeitraum häufig den Vorwurf gefallen lassen muss, eine Ein-Punkt-Partei zu sein. Doch ein genauer Blick auf den Gründungsparteitag zeigt, dass dies mitnichten der Fall ist.
Lucke ist eine zentrale, längst aber nicht die einzige wichtige Figur an diesem Tag. Die Eröffnungsrede hält Konrad Adam, ein elitärer Konservativer, der vor einigen Jahren darüber sinnierte, dass den Hartz-IV-Beziehenden das Wahlrecht zu entziehen sei.(1) Adam war ehemals Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt und wird an diesem Tag zu einem der drei Parteisprecher gewählt. Die beiden anderen Sprecher sind Lucke und Frauke Petry, zu diesem Zeitpunkt ein politisch weitgehend unbeschriebenes Blatt. Anders Beatrix von Storch, die beim Gründungsparteitag nicht besonders auffällt, aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine bedeutende Rolle in der neuen Partei spielt. Sie ist eines der Gründungsmitglieder der AfD und bringt als führende Aktivistin eines rechtskonservativen bis christlich-fundamentalistischen Kampagnennetzwerks (Zivile Koalition) reichlich Mobilisierungskraft mit. Durch den Parteitag führt Alexander Gauland. Zwischen 1987 und 1991 leitete er unter Walter Wallmanns CDU-FDP-Regierungskoalition die Hessische Staatskanzlei; danach war er Herausgeber der Märkischen Allgemeinen. Eigentlich sitzt der konservative Publizist im Frühjahr 2013 an einem Buch zu Bismarck; für das neue Parteiprojekt aber wagt sich der Jurist, der mehrere Jahrzehnte Mitglied der CDU war, noch einmal in das politische Tagesgeschäft. Er lässt sich an diesem Tag zu einem der stellvertretenen Parteisprecher wählen.
Nicht auf dem Podium vertreten, aber von Adam zu Beginn der Eröffnungsrede namentlich erwähnt, sitzen mit Joachim Starbatty und Hans-Olaf Henkel zwei Schwergewichte im Publikum. Henkel war unter anderem Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Starbatty Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen. Beide sind der neoliberalen Strömung zuzuordnen.
Wer sich also den Gründungsparteitag und die Akteure genauer anschaut, dürfte schon geahnt haben, dass es um weit mehr als um eine ›Alternative‹ zur Euro-Politik gehen würde. Neoliberale und Rechtskonservative kamen zusammen mit der Perspektive, die verschiedenen rechten Strömungen zu verbinden.
Heute wissen wir, dass ihr Vorhaben Erfolg hatte – vorläufig zumindest. Binnen nur weniger Monate gelang es der AfD, die Parteienlandschaft grundlegend zu verändern und den politischen Diskurs in Deutschland mitzubestimmen. Die Überraschung war am Abend der Bundestagswahl im September 2013 entsprechend groß: Aus dem Stand konnte die Partei 4,7 % der Stimmen gewinnen und scheiterte damit denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Bei den Wahlen zum Europaparlament Ende Mai 2014 konnte sie dann ihren Stimmenanteil deutlich vergrößern und erzielte 7 %. Es folgten im August und September drei Landtagswahlen, in denen es der AfD gelang, noch einmal deutlich zuzulegen. In Sachsen holte sie knapp 10 %, in Thüringen 10,6 % und in Brandenburg gar über 12 % der Stimmen.
Aufgrund des Erfolgs der AfD ist in den vergangenen Monaten viel über die neue Partei diskutiert worden. Im Zentrum stand dabei die Frage, was dies überhaupt für eine Partei ist, die vorgibt, eine Alternative zur herrschenden Politik zu sein. Handelt es sich um eine (rechts-)konservative, (neo-)liberale oder rechtspopulistische Partei? An einer politischen Einordnung der AfD versucht sich das vorliegende Buch; in je einem Kapitel werden die folgenden Fragen erörtert:
– Woher kommt die AfD?
– Wie entwickelte sie sich seit ihrer Gründung im Frühjahr 2013?
– Wen spricht die Partei aus welchen Gründen an?
Im Abschlusskapitel wird dann eine exaktere Einschätzung der AfD vorgenommen.
Anmerkung
(1) Adam, Konrad (2006): Wer soll wählen? Die Macht der Schwachen. http://www.welt.de/print-welt/article159946/Wer-soll-waehlen.html [22.12.2014].
Bibliografische Angaben
Sebastian Friedrich: Der Aufstieg der AfD. Neokonservative Mobilmachung in Deutschland. 112 Seiten, 13 Abbildungen, € 7,90 [D] / € 8,20 [A]. ISBN 978-3-86505-731-0, Bertz + Fischer Verlag.
Weitere Informationen: Der Aufstieg der AfD