Dokumentation
Gemeinsame Erklärung der kanadischen Gewerkschaften zu CETA
16. September 2016 | Redaktion
Auch in Kanada ist die Kritik am geplanten EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA groß. Die dortigen Gewerkschaften haben sich in einer aktuellen Erklärung mit den morgigen Protesten in Deutschland solidarisch erklärt und ihre Ablehnung des Abkommens erneut unterstrichen. Darin weisen sie auch die Idee des SPD-Parteivorstands als unrealistisch zurück, noch Änderungen an CETA mittels Zusatzprotokollen zu erreichen. Wir dokumentieren nachfolgend den Text.
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Kanada darf das „grundsätzlich bedenkliche“ Handelsabkommen mit Europa nicht ratifizieren
In Solidarität mit den Großkundgebungen in Europa wiederholen die unterzeichneten kanadischen Gewerkschaften noch einmal die jüngste Botschaft des Canadian Labour Congress (Dachverband der kanadischen Gewerkschaften) und seiner 3,3 Millionen Mitglieder: Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union enthält viele fragwürdige Aspekte, weshalb wir unsere liberale Bundesregierung dringend aufrufen, CETA nicht zu ratifizieren.
Wie umstritten CETA ist, lässt sich an den über drei Millionen Europäerinnen und Europäern ablesen, die den Aufruf gegen CETA und sein Zwillingsabkommen, das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, unterschrieben haben. Und der Widerstand der Europäer gegen CETA, der sich in erster Linie gegen die Investorenrechte und den mangelnden Schutz für öffentliche Dienste richtet, wächst. Diese Bedenken, die das Abkommen in Europa noch zu Fall bringen könnten, werden auf der anderen Seite des Atlantiks von kanadischen Gewerkschaften, Umweltschutz- und Bürgerrechtsgruppen geteilt.
„Wir rufen die kanadische Regierung auf, CETA nicht zu ratifizieren. Dieses Handelsabkommen ist eine Gefahr für die öffentlichen Dienst, unsere Gesundheitsversorgung und die kanadischen Arbeitsplätze“, sagte Mark Hancock, Präsident der kanadischen Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten.
„Die kanadische Ministerin für internationalen Handel Chrystia Freeland bewirbt das Abkommen zwischen Kanada und der EU als ‚progressiv‘, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. CETA enthält in seiner derzeitigen Version grundlegende Mängel und begünstigt die Interessen der Konzerne gegenüber jenen der Kanadier“, fügte Ken Neumann, nationaler Direktor der Gewerkschaft der vereinigten Stahlarbeiter hinzu.
Zu unseren wichtigsten Forderungen gehören:
- Streichung aller Bestimmungen zum Investitionsschutz: Es besteht kein Grund, unsere öffentliche Gerichtsbarkeit zu umgehen und auf außergerichtliche Schiedsverfahren zurückzugreifen, die die Konzerne begünstigen. Der für CETA vorgeschlagene Investitionsgerichtshof bedeutet keine echte Verbesserung gegenüber dem bedenklichen Investor-Staat-Streitbeilegungssystem im NAFTA und anderen Handelsabkommen.
- Schutz der öffentlichen Dienste vor Privatisierung: CETA stellt eine Gefahr für unsere öffentlichen Dienste dar, da im Falle gescheiterter Privatisierungen eine Renationalisierung bzw. eine künftige Expansion öffentlicher Dienste kaum noch möglich wären.
- Weg mit den Patentverlängerungen für pharmazeutische Produkte: Mit dem im CETA vorgesehenen Patentschutz könnten die jährlich für unser Gesundheitssystem anfallenden Medikamentenkosten um $ 1 Milliarde und mehr steigen.
- Schutz für das öffentliche Auftragswesen in öffentlichen Diensten und Sektoren: Nach derzeitigem Stand würde das öffentliche Auftragswesen einer Regierungsbehörde bzw. eines Sektors, sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind, unter die CETA-Bestimmungen fallen. Damit werden die Rechte der Provinzen, Kommunen und anderer Einheiten beschnitten, ihre Ausgaben im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens bestmöglich zu investieren, indem sie lokalen Gütern und Dienstleistungen den Vorzug einräumen.
- Inklusion eines echten Mechanismus für die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte: In der derzeitigen Version unterliegen Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte keiner sinnvollen Sanktionierung – ganz im Gegensatz zu den Bestimmungen über die Rechte der Investoren.
„Nach unserer Analyse wird CETA in Kanada den Verlust von tausenden Arbeitsplätzen im Fertigungs- und Verarbeitungssektor nach sich ziehen. Außerdem sieht CETA im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens überflüssige Einschränkungen vor, die die Regierungen daran hindern, durch eine progressive lokale Vergabepolitik dafür zu sorgen, dass die kanadische Bevölkerung von wichtigen Ausgaben im Bereich der Infrastruktur profitiert“, sagte Jerry Dias, Präsident von Unifor.
„CETA ist kein guter Handel, denn es würde die Arbeitsplätze der schwer arbeitenden Kanadier weg verhandeln“, meinte Paul Meinema, der nationale Präsident der UFCW Kanada. „Wir dürfen keine Handelsabkommen wie CETA unterzeichnen, die unausgewogen sind und nur einer multinationalen Konzernagenda dienen. Stattdessen brauchen wir ausgewogene Handelsvereinbarungen, die allen ArbeitnehmerInnen und den Sektoren zugutekommen, in denen sie arbeiten.“
Angeblich kann CETA immer noch abgeändert werden, um die oben genannten Mängel zu beheben. Wir halten das für unrealistisch.
„Diese Änderungen sind vor der Ratifizierung durch das Europäische Parlament am 21. Oktober nicht mehr möglich, weil es sich um Änderungen handelt, die an den grundlegenden Rahmenbedingungen des Abkommens vorgenommen werden müssen, und nicht in Form eines rechtlich nicht bindenden Zusatzabkommens, Briefs oder einer Erklärung“, sagte Larry Brown, Präsident der nationalen Gewerkschaft der öffentlichen und allgemeinen Beschäftigten.
„Außerdem glauben wir nicht, dass das Abkommen ratifiziert und später abgeändert werden kann, weil CETA in weiten Teilen vorläufig zur Anwendung gelangen dürfte und dadurch sofort in Kraft tritt. Bis zu einer endgültigen Abstimmung über die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente können Monate bis Jahre vergehen. Der vorliegende Text ist inakzeptabel und das Abkommen muss verhindert werden“, sagte Stan Pickthall, Generalvizepräsident der Internationalen Gewerkschaft der Maschinisten.
„Wir stehen Seite an Seite mit den europäischen Arbeitnehmer/innen und Aktivist/innen der Zivilgesellschaft, die in Deutschland, Österreich, Belgien und anderswo zum Widerstand gegen CETA mobilisieren, das in vielerlei Hinsicht genauso gefährlich ist wie TTIP. Die überwältigende Ablehnung in Europa hat die TTIP-Verhandlungen mit den USA zum Stillstand gebracht; CETA, so die Gegner, ist aber nichts anderes als TTIP durch die Hintertür“, fügte die Präsidentin des kanadischen Gewerkschaftsverbands der Krankenpfleger Linda Silas hinzu, die bei den Großkundgebungen gegen CETA und TTIP in Deutschland sprechen wird.
Unterzeichnet von:
- Canadian Union of Public Employees (CUPE)
- International Union of Machinists and Aerospace Workers (IAMAW)
- National Union of Public and General Employees (NUPGE)
- UNIFOR
- United Steelworkers (USW)
- Canadian Federation of Nurses Unions (CFNU)
- United Food and Commercial Workers (UFCW)