EU-Japan-Abkommen JEFTA: Nach TTIP und CETA kein Kurswechsel in Sicht
5. September 2017 | Joachim Thaler
Die Handelsabkommen TTIP und CETA haben in den letzten Jahren große öffentliche Bekanntheit erlangt. Doch nur wenige wissen, dass die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten auch eine Reihe anderer Abkommen verhandelt. Dazu gehört auch das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und Japan – JEFTA („Japan-EU Free Trade Agreement“) genannt. 2012 hatten die EU-Mitgliedstaaten der Kommission das Mandat für die Verhandlungen erteilt, seit 2013 wird verhandelt. Anfang Juli verkündeten die EU und Japan, eine Grundsatzeinigung erzielt zu haben. Ziel sei, JEFTA bis Jahresende verhandelt zu haben. Es würde ein doppelt so großes Handelsvolumen abdecken als CETA und wäre das bis dato größte Handelsabkommen der EU, mit einer ein Drittel des weltweiten BIPs umfassenden Freihandelszone.
Nachdem im März dieses Jahres bereits verschiedene Verhandlungsdokumente an die Öffentlichkeit gespielt worden waren, veröffentlichte Greenpeace Niederlande Ende Juni weitere 205 Seiten an bis dahin unveröffentlichten Dokumenten aus den geheimen Verhandlungen. Damit will Greenpeace zu einer qualifizierteren Debatte über das EU-Japan-Abkommen beitragen und auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen. Bei den geleakten Dokumenten handelt es sich in erster Linie um Entwürfe für verschiedene Kapitel des Abkommens sowie das Verhandlungsmandat aus dem Jahr 2012, das die Elemente des Abkommens und die zu erfüllenden Kriterien enthält. Sämtliche geleakte Verhandlungsdokumente stehen unter www.trade-leaks.org der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Doch was sagen uns diese Dokumente? Kurz: Die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten haben aus der massiven öffentlichen Kritik an TTIP und CETA offenbar wenig gelernt.
Noch weniger Transparenz als bei TTIP
Zum einen machen die Leaks einmal mehr auf die Intransparenz in der europäischen Handelspolitik aufmerksam. Zwar hatte die EU-Kommission bei TTIP infolge des öffentlichen Drucks merkliche Verbesserungen im Bereich Transparenz vorgenommen – auch wenn diese bei weitem noch nicht ausreichend waren. Doch die Ankündigung der Kommission, die Transparenz-Praktiken von TTIP auch auf alle anderen Verhandlungen zu Handels- und Investitionsschutzabkommen auszuweiten, blieb bei JEFTA bis zu den Leaks aus. Während die Kommission bei TTIP über einen längeren Zeitraum sukzessive EU-Textvorschläge für verschiedene Kapitel veröffentlichte, reagierte sie bei JEFTA immer erst nach Leaks. Eine substanzielle Anzahl von Verhandlungstexten machte sie erst im Juli – nach bereits vier Jahren Verhandlungen und zwei Wochen nach den JEFTA-Leaks durch Greenpeace – publik.
Sonderklagerechte für ausländische Investoren
Der Leak umfasst auch Texte zum sogenannten „Investitionsschutz“. Dabei geht es – wie auch schon bei TTIP und CETA – unter anderem um Sonderklagerechte für ausländische Investoren: Mit diesen können Konzerne Staaten auf Schadenersatz klagen, wenn staatliche Maßnahmen ihren Profit beeinträchtigen. Die EU und Japan wollen eine derartige Paralleljustiz auch in JEFTA einrichten. Uneinigkeit herrscht nur über die konkrete Ausgestaltung, wie die veröffentlichten Dokumente verdeutlichen: Die EU-Kommission wünscht sich jene reformierte – aber trotzdem nach wie vor höchst problematische – Variante, die auch in CETA verankert wurde. Japan hingegen möchte das herkömmliche ISDS-Modell. Bei einem Kompromiss zwischen der EU und Japan sind Sonderklagerechte zu erwarten, die sogar noch bedenklicher sind als jene in CETA. JEFTA gefährdet damit öffentliche Interessen, wenn etwa Millionenklagen gegen den Staat bei Einführung eines Umweltschutzgesetzes drohen. Politikerinnen und Politiker werden es sich dann zweimal überlegen, ob sie sich nicht lieber mit dem Status quo abfinden.
Zahnloses Nachhaltigkeitskapitel
Auch das JEFTA-Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung fällt schwach aus – es liegt in manchen Punkten noch hinter CETA. Ebenso wie in CETA fehlen konkrete, verbindliche Verpflichtungen zu Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Arbeitsstandards. Zudem mangelt es an einem effektiven Sanktionsmechanismus zur Durchsetzung der Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel. Ein Beispiel: Japan hat nur sechs der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert – doch eine verpflichtende Ratifizierung der beiden verbleibenden Kernarbeitsnormen ist in JEFTA nicht vorgesehen. Ein weiterer Schwachpunkt des Kapitels betrifft die illegale Abholzung von Wäldern. Die Nachhaltigkeitsprüfung der EU-Kommission zu JEFTA hat ergeben, dass das Abkommen illegale Abholzung in bestimmten Drittländern verstärken könnte. Diese Gefahr wird im Abkommen komplett vernachlässigt.
Ein kritisches Thema ist auch der Walfang. Japan ist eines von weltweit drei Ländern, die noch kommerziellen Walfang betreiben. Das EU-Parlament hatte gefordert, dieses Problem auch in den Verhandlungen zu JEFTA zu thematisieren. Die EU-Kommission lehnte das jedoch ab. Im geleakten Nachhaltigkeitskapitel wird das Thema nicht erwähnt. Ein weiterer problematischer Punkt: CETA erlaubt den Vertragsparteien immerhin, von bestimmten Vorgaben des Abkommens abzuweichen, um Verpflichtungen aus internationalen Umweltabkommen zu erfüllen. Der geleakte JEFTA-Text hingegen bietet in dieser Hinsicht weniger Flexibilität und enthält eine Klausel, die die Erfüllung internationaler Umweltabkommen sogar noch erschweren könnte.
Druck auf Daseinsvorsorge, offene Türen für Lobbys
Darüber hinaus wirft JEFTA weitere aus TTIP und CETA bereits bekannte Probleme auf. Das geleakte Verhandlungsmandat zeigt etwa, dass die Kommission den Auftrag hatte, sich bei der Liberalisierung von Dienstleistungen für den sogenannten „Negativlistenansatz“ einzusetzen. Das heißt, dass alle Dienstleistungssektoren, die nicht explizit ausgenommen werden, automatisch liberalisiert werden. Dienstleistungen der Daseinsvorsorge kommen dadurch unter einen verstärkten Liberalisierungsdruck und drohen, einer Profitlogik unterworfen zu werden. Darüber hinaus hatten schon die Leaks vom März gezeigt: Auch bei JEFTA ist wieder eine Form der sogenannten „Regulierungszusammenarbeit“ geplant, die den Einfluss von Lobbys im Gesetzgebungsprozess verstärken und die Einführung strengerer Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt erschweren könnte.
Zeit für einen Kurswechsel in der Handelspolitik
Angesichts all dieser Gefahren ist es höchste Zeit, dass die österreichische Politik Konsequenzen zieht. Die Bundesregierung und das Parlament müssen jetzt deutlich machen, dass sie aus TTIP und CETA gelernt haben und dass sie dem EU-Japan-Abkommen in der geplanten Form nicht zustimmen werden. Es kann nicht sein, dass man zuerst den Abschluss der Verhandlungen abwartet und dann kritische Stimmen mit dem Argument abdreht, dass nun leider keine Änderungen mehr möglich seien. Ein „weiter wie bisher“ im Stil von TTIP und CETA stärkt nur jene, die mithilfe der Unzufriedenheit der Menschen Nationalismus schüren und Abschottung vorantreiben. All jene, denen eine solidarische und weltoffene Gesellschaft am Herzen liegt, sollten sich daher für ein Ziehen von JEFTAs „Giftzähnen“ und für einen generellen Kurswechsel in der EU-Handelspolitik stark machen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf blog.arbeit-wirtschaft.at. Wir danken für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung. Dieser Text ist von der CC-Lizenz gemäß Impressum ausgeschlossen; das Zitieren und das Verlinken des Textes ist erlaubt, nicht aber das Vervielfältigen/Kopieren.
Joachim Thaler ist Campaigner zu Handelspolitik bei Greenpeace Österreich.